» Das war's endlich, das Reisen,
ein Reisen, wie sie sich's erträumt hatte,
ein drängendes, sehnsuchtsvolles Hinausjagen
ins große Unbestimmte, in einen neuen Tag,
in ein neues, fremdes Leben, in ein neues großes Glück. «
– Olga Wohlbrück
Inhaltsverzeichnis
Da unser Beitrag ein weniger länger geworden ist, hier eine kurze Übersicht. Dann könnt ihr gerne direkt zu dem Teil springen, der euch interessiert:
- Ankunft in Moshi
- Tag 1: Lemosho Gate 2.100m - Mti Mkubwa 2.650m
- Tag 2: Mti Mkubwa 2.650m - Shira II Camp 3.850m
- Tag 3: Shira II Camp 3.850m - Baranco Camp 3.900m
- Tag 4: Baranco Camp 3.900m - Karanga Camp 3.995m
- Tag 5: Karanga Camp 3.995m - Barafu Camp 4.673m
- Gipfelnacht: Barafu Camp - Uhuru Peak 5.895m - Barafu Camp 4.673m
- Tag 6: Barafu Camp 4.673m - Mweka Camp 3.100m
- Tag 7: Mweka Camp 3.100m - Mweka Gate 1.640m
- Zurück in Moshi
Ankunft in Moshi
Es ist der 26.07.19 und unsere aufregende Reise beginnt. Mit gepackten Rucksäcken stehen wir am Flughafen München und warten auf unseren ersten Flieger, der uns nach Dubai bringt. Nach 8 Stunden Zwischenlandung in Dubai geht es dann mit dem nächsten Flieger weiter zum Kilimanjaro International Airport.
Nach einer langen und anstrengenden Reise erreichen wir gegen 21 Uhr den Kilimanjaro International Airport. Dort erwartet uns unser Fahrer und fährt uns direkt ins Hotel Sal Salinero, wo Jan & Christina bereits einen Tag vorher angereist sind. Wir quatschen noch kurz und verkriechen uns dann müde und doch glücklich auf unsere Zimmer.
Ausgeschlafen und gestärkt vom Frühstück erwartet uns unsere Reiseleiterin Miriam im Hotel. Mit ihr klären wir alles Finanzielle und erhalten alle wichtigen Informationen und Tipps für unsere Kilimanjaro-Besteigung.
Anschließend kommen zwei unserer Guides hinzu: Faraja und Pita. Die beiden erläutern uns den genauen Ablauf unseres Trips und checken nochmals unsere Ausrüstung. Fazit: Martin hat nur 1 Paar Socken dabei und beide Jungs müssen sich lange Unterhosen ausleihen.
Am Nachmittag werden wir von unserem privaten Fahrer Nikolaus abgeholt, der uns in das einheimische Restaurant Hugo bringt. Dort treffen wir uns nochmal mit Miriam, weil sie uns gerne die traditionelle Küche etwas näher bringen möchte. Wir probieren die verschiedensten Gerichte und hoffen inständig, dass wir in den nächsten drei Wochen etwas anderes vorgesetzt bekommen.
Nach dem Essen spazieren wir noch durch Moshi und genießen Café und Kuchen im Union Coffee. Zurück im Hotel heißt es Rucksack packen, ein letztes Mal duschen und ab ins Bett, denn am nächsten Tag müssen wir um 7 Uhr zum Frühstücken.
Tag 1: Lemosho Gate 2.100m - Mti Mkubwa 2.650m 7km; 4 Stunden
Nach dem Frühstück werden wir von unserem Team abgeholt und die holprige Fahrt zum ca. 80 Kilometer entfernten Londorosi Gate beginnt.
Unterwegs legen wir einen kurzen Stop ein, wo wir gemeinsam mit unseren Guides eine Kleinigkeit essen. Das halbe Rind hängt in einer kleinen offenen Garküche. Hier werden einzelne Teile abgeschnitten und landen direkt auf dem Grill. Hierzu wird das typische Ugali (ein weißer Getreidebrei aus Reismehl) serviert.
Anschließend geht es weiter zum Londorosi Gate, um alles für die kommenden Tage vorzubereiten. Hier werden wir, sowie unsere Guides und Porter angemeldet, das Gepäck wird gewogen und schließlich sicher verpackt. Wir bekommen unser Lunchpaket und dann heißt es erstmal warten. Das Schauspiel von Packen, Wiegen, Gepäck verteilen, Neupacken usw. verkürzt uns die lange Wartezeit. Hat ein Porter beispielsweise zu viel in seinem Rucksack, wird der Kohlkopf eben halbiert und die Hälfte muss unten bleiben.
Weiter geht es mit dem Auto zum Lemosho Gate, von welchem aus wir endlich durch den ursprünglichen, grünen Regenwald losmarschieren. Etwa 4 Stunden, 7 Kilometer und 550 Höhenmeter später erreichen wir glücklich und zufrieden das MTI MKUBWA Camp oder auch genannt: Big Tree Camp. Die Zelte sind bereits aufgebaut. Mit den Worten "Your hot water" bekommen wir jeder eine Schüssel warmes Wasser zum Waschen. Anschließend werden wir ins Essen-Zelt geführt, wo uns das erste Abendessen erwartet: jede Mahlzeit beginnt mit einer Suppe, dann wird ein Hauptgang serviert und abschließend Obst. Aufgetischt wird grundsätzlich so viel, dass vermutlich das halbe Camp mit verpflegt werden könnte.
Nach dem Essen kommen unsere Guides ins Zelt und die tägliche Abendroutine beginnt:
Sauerstoffgehalt im Blut messen.
Hast du Kopfschmerzen?
Ist dir schlecht?
Musstest du dich übergeben?
Hast du Durchfall?
Ist dir schwindelig?
Hast du Appetit?
Fällt dir das Atmen schwer?
Da uns am nächsten Tag die erste Königsetappe erwartet, verkriechen wir uns schnell in unsere Zelte. Gute Nacht.
Tag 2: Mti Mkubwa 2.650m - Shira II Camp 3.850m 17km; 8,5 Stunden
Nach einem freundlichen "Good morning, your hot water" und "Your empty bottles please" um 6:30 Uhr geht es zum Frühstück. Uji und Toast mit Ei - daran werden wir uns wohl gewöhnen müssen... Uji ist der Wunderbrei, den es jeden Morgen gibt und den wir auch jeden Morgen zu essen haben. In ihm sind alle wichtigen Inhaltsstoffe enthalten und er soll uns für den Tag stärken. Zubereitet wird er indem Hirse- und Maismehl mit Wasser aufgekocht und mit etwas Milch und Zucker gepimpt wird. Wir hatten uns den Brei wesentlich schlimmer vorgestellt, sollten jedoch in den folgenden Tagen noch eines Besseren belehrt werde.
Die Hoffnung, dass wir heute zum ersten Mal den Gipfel sehen werden, motiviert uns und wir verlassen gut gelaunt das Camp. Der Weg führte uns anfangs weiter durch grünen Regenwald, wird jedoch immer karger und trockener.
Ab 3.000 ü M. ändert sich die Vegetationszone von Regenwald in Heide- und Moorlandschaft. Wir folgen den immer steiler werdenden Pfaden, bis wir schließlich den Shira Kamm überqueren. Hier wird die Vegetation immer spärliche.
Schließlich erreichen wir den "magischen Punkt", von wo aus der Gipfel sichtbar sein soll. Und was soll ich sagen? Nichts. Er ist einfach nicht da. Versteckt in den Wolken und nicht bereit, sich uns zu zeigen.
Nach einem ausgiebigen Mittagessen im Shira Camp I, welches wir nach etwa 4 Stunden Gehzeit und 960 zurückgelegten Höhenmetern erreichen, geht es weiter über die Hochebene Richtung Shira Camp II.
Das ständige auf und ab lässt uns erahnen, wieso genau die Lemosho-Route so geeignet zur Akklimatisation sein soll. Das Camp erreichen wir nach ca. weiteren 4 Stunden und weiteren 249 Höhenmetern.
Tag 3: Shira II Camp 3.850m - Baranco Camp 3.900m 10km; 7 Stunden
Wir verlassen früh am Morgen das Shira Camp II. Leider keine Sonne in Sicht und die Wolken hängen tief. Die Vegetation wird immer noch spärlicher, bis es bald nur noch vereinzelt trockenes Gestrüpp zwischen den Lavabrocken gibt. Unser Weg führt uns stetig entlang des Rückens bergauf.
Unser heutiges Motto: „walk high, sleep low“. Es ist der klassische Akklimatisationstag, den wir am Abend noch verfluchen werden, uns am Ende jedoch zu Gute kommen wird.
Als sich der Weg nun in zwei Pfade teilt, entscheiden wir uns für den Weg, welcher zum Lava Tower führt. So langsam macht sich die Höhe bemerkbar und leichte Kopfschmerzen und Übelkeit setzen ein. Wir kommen dem Lava Tower immer näher und von hinten hört man immer wieder: „pole pole“, was auf Swahili so viel heißt wie „langsam, langsam“. Zwangsweise wird „pole pole“ zum ultimativen Schlagwort und wird uns die kommenden Tage begleiten.
Nach knapp 5 Stunden und 750 Höhenmetern erreichen wir den Lava Tower. Nur noch 1.300 Höhenmeter trennen uns vom Gipfel des
Kilimanjaro.
Leider dient der Lava Tower nur der Akklimatisierung und so brechen wir nach einem schnellen Mittagessen wieder auf.
Wir steigen wieder 700 Höhenmeter bergab und knapp 2 Stunden später treffen wir in unserem heutigen Quartier ein: das Baranco Camp. Schon von weitem erblickt man die vielen bunten Zelte, die wie Stecknadelköpfe den Berg spicken.
Leider ist es so bewölkt und regnerisch, dass wir vom Berg nicht mehr viel sehen. Die Wolken lassen uns nicht mehr los und begleiten uns bis in die kalte Nacht hinein.
Tag 4: Baranco Camp 3.900m - Karanga Camp 3.995m 6km; 4 Stunden
Als wir aufstehen stellen wir als erstes fest, dass die Regenjacke, welche zum Trocknen auf dem Zelt lag, komplett eingefroren ist. Also war es nicht nur Einbildung, sondern tatsächlich so kalt, wie wir die Nacht empfunden haben.
Die Wolken haben sich verzogen und die Sonne kämpft sich langsam hinter den Berggipfeln hervor. Wir blicken uns um und wie ein Schlag trifft es uns: direkt vor uns ragt die Great Barranco Wall wie eine senkrechte Wand aus dem Boden. Da diese Wand direkt nach dem Frühstück erklommen wird, wird sie auch Breakfast Wall genannt. Hunderte kleine bunte Punkte scheinen die Wand mühelos hinaufzusteigen.
Die anfängliche Angst weicht tatsächlich Spaß und wir erklimmen in etwa einer Stunde die 200 Meter hohe Wand. Es gibt immer wieder einige engere Stellen hochzukraxeln und zu überwinden und wir beobachten fassungslos, mit welcher Leichtigkeit die Porter scheinbar mühelos die Wand hochrasen – eine Meisterleistung.
Oben werden wir mit einem atemberaubenden Ausblick und Sonnenschein belohnt.
Nach einer kurzen Pause geht es weiter, denn unser Tagesziel ist das Karanga Camp. Es geht weiter bergauf, jedoch deutlich flacher und sanfter, sodass man schnell seinen Rhythmus findet. Wir steigen mehrere Täler auf und ab und irgendwann meint unser Guide: "Noch einmal hoch, einmal runter und ein letztes Mal hoch, dann sind wir da."
Wir gehen also über die Kuppe und sehen den letzten Abstieg in das Karanga Tal und den anschließend letzten Anstieg. Der steil hinauf führende Pfad ist deutlich zu erkennen und wir merken wie unsere Motivation schwindet. "Ein letztes Mal hoch" bedeutet nochmal gut 30 Minuten steilen Anstieg. Neben uns plätschert ein Fluss vom Berg hinunter.
Von unserem Guide erfahren wir, dass es die letzte Wasserstelle vor dem Gipfel ist und unsere Porter das Wasser von hier bis zum Base Camp tragen müssen. Hierfür müssen sie mehrmals laufen. Davon bekommen wir alle gar nichts mit, weil man die Porter meistens nur morgens und am Abend zu Gesicht bekommt.
Wir erreichen das staubige Karanga Camp auf 4.035 am späten Nachmittag und freuen uns über den restlichen freien Tag.
Tag 5: Karanga Camp 3.995m - Barafu Camp 4.673m 4km; 4Stunden
Als wir aufstehen ist es klar und sonnig. Der Wind bläst uns um die Ohren und wir sind motiviert für den kurzen Vormittag. Auf dem Programm: ca. 3 Stunden Gehzeit und 600 Höhenmeter hinauf.
Wir stapfen los und marschieren auf staubigen Wegen zwischen Felsblöcken immer weiter Richtung Base Camp. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt und achtet auf seine Füße.
Schon bald sehen wir den finalen Tagesanstieg steil über uns und wir freuen uns, dass das Ziel bereits in Sicht ist. Just in diesem Moment wird die Wolkendecke über uns immer dichter und es beginnt zu nieseln. Es dauert nicht lange und der Nieselregen nimmt weiter zu, bis wir im Schneeregen nach oben trotten. Die Sicht ist bescheiden und der Wind bläst von allen Seiten.
Als wir endlich am Rangerhäuschen und dem Etappenschild ankommen, sind wir nass und durchgefroren.
Nachdem wir uns ins Buch eingetragen haben, müssen wir noch etwa 15 Minuten warten, da unsere Zelte noch nicht fertig aufgebaut sind. Direkt am Häuschen sitzt ein älterer Mann, welcher von zwei Mitreisenden betreut wird. Er sieht gar nicht gut aus. Seine Lippen bluten, er hält sich den Arm und starrt vor sich hin.
Erst jetzt begreifen wir, dass wir hier bereits auf die Wanderer treffen, die bereits den Gipfel erklommen haben und wieder auf ihrem Weg nach unten sind. Und erst jetzt wird uns so richtig bewusst, dass wir in nicht einmal 24 Stunden am Gipfel stehen werden!
Einer unserer Guides kommt und wir laufen weiter zu unseren Zelten. Wir stellen nach 10 Minuten fest, dass unsere Zelte die am höchsten gelegensten sind und wir somit den weitesten Weg haben. In diesem Moment haben wir einfach keine Lust mehr und verfluchen es. In der Nacht werden wir allerdings um jeden Meter froh sein, den wir schon geschafft haben.
Nach dem Mittagessen sollen wir uns in die Zelte legen und versuchen zu schlafen. Die einen schlafen gut, die anderen weniger gut. Die Sonne kommt raus und brennt auf die Zelte. Man möchte nicht glauben, dass es zwei Stunden vorher geschneit hat.
Heute gibt es gegen 17:30 Uhr ein frühes Abendessen, um noch etwas Schlaf vor dem finalen Aufstieg zu ergattern. Pita kommt ins Zelt und serviert uns mit einem breiten Grinsen im Gesicht unsere Henkersmahlzeit. Pita – unser Kellner und Guide – er ist uns besonders ans Herz gewachsen. Immer wenn er das Zelt betritt, kommt eine vertraute und herzliche Atmosphäre auf. Er kümmert sich überaus fürsorglich um uns. Morgens bringt er das heiße Wasser ans Zelt, füllt unsere Wasserflaschen auf und serviert uns jede Mahlzeit mit einem freudigen: „Enjoy your meal!“.
Nach dem Abendessen verkriechen wir uns in unsere Zelte und versuchen etwas Ruhe zu finden. Allerdings gelingt uns das nicht wirklich: es ist kalt, wir sind aufgeregt und es herrscht eine angespannte Stimmung im Camp. Nur noch wenige Stunden bis es endlich los geht!
Barafu Camp - Uhuru Peak 5.895m - Barafu Camp 4.673m 10km; 10 Stunden
» Reisen bedeutet Grenzen zu überschreiten, auch die eigenen. «
– Wanda Rezat
Und das haben wir definitiv getan! Kurz vor Mitternacht werden wir geweckt und packen uns in alle Klamottenschichten, die wir haben. Wir können uns kaum noch bewegen. Es ist kalt… arschkalt. Es hat auf jeden Fall Minusgrade und verlockt nicht gerade zum Wandern. Wir haben Wärmepads in Schuhen und Handschuhen und die Stirnlampen über den Mützen. Nach einer schnellen Tasse Tee geht es endlich los und wir starten unseren Anstieg auf den höchsten Berg Afrikas.
Die ersten ca. 200 Höhenmeter sind sehr steil und uns wird durchaus wieder wärmer, denn an manchen Stellen müssen wir über die Felsen kraxeln. Wir haben Durst, aber leider sind unsere Trinkschläuche bereits nach einer viertel Stunde eingefroren.
Nach kurzer Zeit zieht ein eiskalter Wind auf, der uns die nächsten Stunden verfolgen soll. Wir überwinden große Felsen, bevor es endlich etwas flacher wird. Der Weg führt über eine Ebene an einem kleinen Camp auf ca. 4.800 Höhenmetern mit einigen wenigen Zelten entlang. Es wird wieder steiler und der Weg führt ab jetzt serpentinenartig den Hang hinauf. Landschaftlich gibt es nichts zu berichten, denn außer den Stirnlampen hoch über uns und dem klaren Sternenhimmel ist alles in tiefe Dunkelheit gehüllt. Vor und hinter uns zieht sich eine leuchtende Schlange aus Stirnlampen den Berg entlang.
Unter uns leuchten die Lichter von Moshi. Ein magischer Anblick, den man nur leider nicht wirklich genießen kann. Wir setzten einen Fuß vor den anderen und so monoton laufen wir dahin. Stundenlang schleichen wir im Dunkeln den Hang hinauf. Wir warten nur drauf, dass die Sonne endlich aufgeht, aber es bleibt stockdunkel. Wir haben jegliches Zeitgefühl verloren und nehmen kaum noch etwas um uns herum wahr. Als wir uns nach über drei Stunden trauen zu fragen, wie weit es noch ist, meint unser Guide, dass wir ca. die Hälfte geschafft haben. Innerhalb von wenigen Sekunden schwindet die restliche Kraft und Motivation. Wir fragen uns (nicht das erste Mal auf dieser Reise), worauf wir uns hier eingelassen haben.
Immer wieder stimmen die Guides ihr Lied an, um ihre Schützlinge zu motivieren:
Jambo, jambo Bwana (Hello, hello Sir)
Habari gani (How are you?)
Mzuri sana (Very fine)
Wageni, mwakaribishwa (Guests, you’re welcome)
Kilimanjaro, hakuna matata (Kilimanjaro, there is no problem)
Endlich geht die Sonne auf. Innerhalb kürzester Zeit wird es wärmer und wir können den Gipfel bereits sehen.
Beim letzten Anstieg zum Stella Point, der über steile Schotterfelder führt, macht sich die Höhe immer mehr bemerkbar. Es wird immer anstrengender zu atmen und wir können uns nicht vorstellen, dass wir wirklich noch irgendwann den Gipfel erreichen.
Wir bleiben einen kurzen Moment stehen und genießen den Anblick der aufsteigenden Sonne über Afrika. Die Landschaft ist in rotes Licht getaucht. Vermutlich ist es der atemberaubendste Sonnenaufgang, den wir bis jetzt erleben durften und doch kann man den Moment nicht so richtig genießen.
Es geht über die nächste Kuppe und dann ist der langersehnte Moment endlich da: wir stehen am Stella Point. 5.730 Meter über dem Meeresspiegel. Wir entschließen uns dazu, direkt die letzten Kraftreserven zu sammeln und treten die letzten 100 Höhenmeter bis zum Gipfel an. Jeder Höhenmeter ist plötzlich zu viel. Wir setzen abermals einen Fuß vor den anderen und ab und an verschwimmt langsam das Bild vor den Augen. Unsere Guides greifen uns unter die Arme und helfen uns so, die letzten Meter bis zum Gipfel zu erklimmen. Unsere Rucksäcke haben wir im Übrigen schon früh in der Nacht unseren Guides abgetreten. Vom Barafu Camp waren wir 7 hartnäckige, kräftezehrende Stunden unterwegs, und dann..
... stehen wir auf einmal vor einer in grün geschilderten Tafel:
CONGRATULATIONS ! YOU ARE NOW AT UHURU PEAK, TANZANIA 5895M A.M.S.L.
Die Spitze des Kilimanjaro. WOW.
Wir knipsen schnell ein paar Fotos und schauen uns einmal um: Gletscher auf der einen Seite, die wie senkrechte Wände mitten auf dem Berg stehen. Auf der anderen Seite der weite Krater.
Danach nehmen wir den Abstieg in Angriff, weil wir uns gar nicht mal sooo gut fühlen. Bei jedem Schritt abwärts kommen die Lebensgeister zurück und geben einem Luft zum Atmen. Am Stella Point legen wir nochmal einen kurzen Fotostop ein, bevor wir den Gipfel des höchsten Berges Afrikas endgültig verlassen.
Nun geht alles ganz schnell. In dem feinen Geröll lassen wir uns abwärts gleiten und ziehen dabei große Staubwolken hinter uns her. Immer noch kommen uns einige erschöpfte Wanderer entgegen, die den Gipfel noch vor sich haben. Ruck zuck sind wir wieder auf dem flachen Plateau und es folgt der letzte steile Abstieg über die Felsen hinunter zum Camp.
Endlich zurück im Camp setzen wir uns kurz in die Sonne und genießen die Wärme auf unseren Gesichtern. Danach verkriechen wir uns ganz schnell in unsere Zelte und versuchen zwei Stunden zu schlafen, bis wir zum Mittagessen geweckt werden.
Tag 6: Barafu Camp 4.673m - Mweka Camp 3.100m 7,5km; 3 Stunden
Nach ca. 2 Stunden Schlaf heißt es aufstehen, denn der Tag ist noch nicht zu Ende. Nach einem ausgiebigen Mittagessen heißt es Rucksäcke packen und aufbrechen. Vor uns liegen ca. 3 Stunden Fußmarsch und 1.578 Höhenmeter bergab.
Wir steigen durch die Felswüste bergab und beobachten die anderen Wanderer im Camp, die erwartungsvoll und mit leuchtenden Augen darauf warten, endlich die Spitze des Kilimanjaro erklimmen zu dürfen. Es dauert nicht lang und die Landschaft wandelt sich. Die erste karge Vegetation kommt zum Vorschein: Gräser, Blumen, kleine Büsche und schließlich Erikabäume, welche mit Moos behangen sind. Mit jedem Schritt wird es grüner. Wir legen eine kurze Pause im High Camp auf 3.950 Metern ein und marschieren dann weiter. Der schön angelegte Weg führt treppenartig und recht steil immer weiter nach unten. Wir sind froh über unsere Wanderstöcke, die uns vor dem ein oder anderen Sturz bewahren.
Je weiter wird nach unten kommen, desto besser geht es uns: die Kopfschmerzen verschwinden so langsam und das Atmen fällt deutlich leichter. Gleichzeitig macht sich die Müdigkeit bemerkbar und wir wollen einfach nur noch im Camp ankommen.
Nach etwa 3 Stunden sind wir endlich da: unser letztes Camp, das Mweka Camp auf 3.100 Höhenmetern. Das Camp ist wunderschön angelegt und wir freuen uns auf den Abend. Nach einem leckeren Abendessen, das heute ausnahmsweise nicht von Pita serviert wird (später erfahren wir, dass auch Pita ziemlich müde vom nächtlichen Aufstieg ist), sitzen wir vier im Zelt und spielen unser absolutes Liebslingsurlaubsspiel: Cabo. Unser Team sehen wir nach dem Abendessen nicht mehr. Bestimmt freuen auch sie sich auf ihre Familien und ein paar ruhige Tage.
Tag 7: Mweka Camp 3.100m - Mweka Gate 1.640m 10km; 3 Stunden
Heute geht es uns alles wieder richtig gut! Bei Sonnenaufgang werden wir das letzte Mal mit einem freundlichen „Good morning, your hot water“ von Pita geweckt. Es gibt ein letztes Mal Frühstück am Berg (jawohl – ein letztes Mal lecker Uji). Und dann heißt es auch schon ein letztes Mal packen, ein letztes Mal Wasserflaschen auffüllen und ein letztes Mal gemeinsam losziehen, bevor unser Kilimanjaro-Abenteuer nach 7 Tagen endet.
Insgesamt erwarten uns nochmal knapp 9 Kilometer und 1.368 Höhenmeter bis wir unten das Mweka Gate erreichen.
Je weiter wir runter kommen, desto größer und grüner werden die Bäume und wir befinden uns wieder mitten im Dschungel. Und mit dem Dschungel kehrt auch das Leben wieder zurück: wir sehen verschiedene Vogelarten, schwarz-weiße Affen die über uns in den Bäumen turnen und Avocadobäume.
Nach knapp zwei Stunden ist es geschafft und wir erreichen das Mweka Gate. Zivilisation! Wir werden direkt von einem kleinen Kiosk und richtigen Toiletten (ja, sogar mit Klobrille!) erwartet. Wie jeden Tag tragen wir uns in das Registrieungsbuch ein. Ein letztes Mal. Anschließend warten wir eine Stunde, bis unser Auto fertig gepackt ist und wir endlich aufbrechen.
Dann verlassen wir durch das Gate den Kilimanjaro. Durch Bananen- , Kaffee- und Avocadoplantagen geht es zurück Richtung Moshi, wo schon das nächste Abenteuer auf uns wartet. Denn was wäre eine Reise nach Tansania ohne Safari?
Zurück in Moshi
Zurück in Moshi kommen wir im Rafiki Backpackers & Guesthouse an. Hier ist auch das Büro von Viva Africa Tours. Wir werden von unserm 18-köpfigen Team in den Hinterhof geführt. Ohne Vorwarnung stimmt Jackson das altbewährte Kilimanjaro-Lied an und alle fangen an zu singen und tanzen. Zunächst stehen wir etwas verwirrt und unbeholfen im Kreis und wissen nicht so richtig, wie wir uns verhalten sollen. Aber uns bleibt gar keine Zeit zum Nachdenken, denn schon nach kurzer Zeit werden wir von Portern an die Hand genommen und tanzen mit.
So geht das sicherlich 15 Minuten, bevor wir dann feierlich unsere Urkunden überreicht und eine Art Blumenkette umgehängt bekommen. Jeder wird einzeln geehrt, auf den Schultern der Porter nach vorne getragen und nochmals besungen. Danach werden wir nochmals mit einem typischen Mittagessen und Bier (endlich!!!) verköstigt. Miriam kommt noch dazu und wir erzählen ihr von unseren Erfahrungen der letzten Woche.
Abschließend gehen wir in die angrenzende Bar, trinken eine letzte Cola mit unserem Team und überreichen ihnen unser Trinkgeld. Wie jedes Mal können wir ihren Gesichtsausdrücken nicht entnehmen, ob sie sich freuen oder ob sie mit unserem Obolus unzufrieden sind. Aber was solls?
Unser Kilimanjaro-Abenteuer ist damit vorbei. Was bleibt zu sagen? Entweder der Berg gewinnt oder du. In diesem Fall hatten wir Glück. Wir haben es versucht und geschafft!
In sieben Tagen auf den Uhuru Peak:
5895m Die Spitze des Kilimanjaro.
Afrikas höchster Punkt oder auch genannt: das Dach Afrikas.
Die Spitze des höchsten freistehenden Berges der Welt.
Einer der höchsten Vulkane der Welt.
Wir haben den Kibo bezwungen!
Warst du selbst auch schon auf dem Kilimanjaro? Würdest du gerne mal dort hin? Lass uns gerne einen Kommentar dazu da!
Patricia (Montag, 18 September 2023 18:23)
Toller Bericht! wir waren gerade erst da, unser Mutter-Tochter Projekt: Abenteuer Kilimanjaro mit meiner 13 jährigen Tochter hatte ich dort das Abenteuer unseres Lebens - wir sind auch erst über die Lemosho, dann aber weiter über die steile Western Breach aufgestiegen! Es war ein Wahnsinn - ein einzigartiges, unvergessliches Erlebnis das wir für immer im Herzen tragen und es wird bestimmt nicht das erste und letzte mal gewesen sein! Liebe Grüsse aus Oberösterreich Patricia und Mia
Julia von Jack auf Reisen (Freitag, 20 Dezember 2019 01:06)
Einer der spannendsten Beiträge die ich bisher gelesen habe! Ich finde es unglaublich was ihr da geleistet habt und habe den größten Respekt vor den Menschen deren Job es ist da immer wieder hoch und runter zu laufen! Toll was ihr da geleistet habt, ich könnte das bestimmt nicht.
Liebe Grüße
EARLYHAVER (Freitag, 20 Dezember 2019 00:13)
Mega Reisebericht! Soviele tolle Bilder, da werd ich gleich neidisch^^ Ob ichs mal in diese Gegend irgendwann schaffe, ich glaube nicht, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt^^ Auf jeden Fall mag ich den authentischen Stil.! LG! :)
Nordkap nach Südkap (Donnerstag, 19 Dezember 2019 16:14)
Was für ein tolles Erlebnis! Der Kili ist auch mein Traum und ich hoffe, dass ich irgendwann fit genug dafür bin. Die Aussicht muss fantastisch sein. Finde übrigens cool, dass die Guides das Gepäck mit euch durchgegangen sind! Liebe Grüße aus São Tomé von Miriam von www.nordkap-nach-suedkap.de
wiraufreise.de (Donnerstag, 19 Dezember 2019 15:56)
Wow, RESPEKT! Ich würde das nicht schaffen und daher habt ihr wirklich meinen vollsten Respekt! Die Bilder sprechen Bände und ich kann mir vorstellen, dass es ein mega Glücksgefühl sein muss, wenn man dann endlich oben ist. In Tanzania waren wir noch nicht, aber wir waren schon in Botswana und an den Victoria Falls und wir waren so begeistert, dass das sicherlich nicht unser letzter Besuch in Afrika war.
Vielen Dank für diesen tollen Beitrag.
Liebe Grüße
Charnette
Cornelia | SilverTravellers (Donnerstag, 19 Dezember 2019 15:18)
Was für eine Tour! Ich kann mir die Glücksgefühle vorstellen, die ihr sicher oben auf dem Gipfel empfunden habt. Ist zwar kein Reiseziel für mich, aber ich habe euren Bericht trotzdem voller Spannung gelesen.
Sandra (Montag, 16 Dezember 2019 22:11)
Wow!
Da habt Ihr ja eine Tour hingelegt. Wunderbare Eindrücke und Danke fürs Mitnehmen. Ich klönnte das wohl nie, aber bewundere jeden, der das so schafft.
Viele liebe Grüße
Sandra
Steffi (Montag, 16 Dezember 2019 13:56)
Huhu,
das war wirklich mal interessant nachzuverfolgen und auch Erfahrungen darüber zu lesen. Für mich wäre der Kilimanjaro nichts, aber gerade deshalb fand ich es interessant.
Die Bilder sind auch wirklich klasse.
LG
Steffi
Dr. Annette Pitzer (Montag, 16 Dezember 2019 10:53)
Liebe Valentina,
das Zitat von Olga Wohlbrück ist ein gelungener Einstieg für Deinen Reisebericht. Auch wenn der Kilimanjaro nicht zu meinen Reisezielen gehört, habe ich den Bericht sehr gerne gelesen.
Alles Liebe
Annette